top of page

Die Abläufe der dramatischen Ereignisse vom Volksaufstand des 17. Juni 1953 in Halle (S.), so wie diese in den originalen Filmaufnahmen des Kamerateams Ammer und Lau dokumentiert sind.

Die Zeitleiste der Filmaufnahmen aus Halle.

Die Geschichte von Albert Ammers Filmaufnahmen vom 17. Juni 1953 ist bis heute ungeheuerlich und unglaublich. Er verdrehte mit der Filmassistentin Jutta-Regina Lau drei professionelle 35mm Filmrollen. Die Stasi verhaftet ihn und das DDR-Regime stempelt ihn zum Staatsfeind. Diese wahre und einzigartige Geschichte wird im Roman "Alberts Bilder bleiben" packend erzählt. 

​

Mit den Ereignissen z.B. in der Ukraine, in Russland, im Iran, China oder Peru besitzen die Filmaufnahmen von Albert Ammer eine weit über 1953 hinausgehende Dimension von Aktualität.

​

Unten führen die Bilder zu meinen Videos an den Original-Drehplätzen der Filmaufnahmen und zu ausgewählten Aufnahmen vom 17. Juni 1953 in Halle (S.). Weitere persönliche Kommentare zu den Bildern von 1953 aus Halle (S.) gibt es hier.

Alexander K. Ammer auf Marktplatz Halle
Alexander K. Ammer vor Gefängnis Halle
Alexander K. Ammer in Halle (S.)
Alexander K. Ammer vor Roten Ochsen Halle

Verkehrskreuzung Reileck, Halle (S.) ca. 12:00 Uhr
Jutta-Regina Lau, Albert Ammer und der Hausmeister der Defa bemerken beim Abholen des Mittagessens für die Belegschaft des Defa Filmstudios Halle tausende Menschen, die mit Sprechchören Richtung Innenstadt marschieren.

​

Defa Filmstützpunkt, Kohlschütterstraße, Halle (S.) ca. 12:30 Uhr

Das Filmteam Ammer/ Lau beschließt die unglaublichen Ereignisse in Halle zu filmen. Die Filmassistentin legt zwei Rollen schwarz-weiß Material in die Filmkassetten. Der Hausmeister schließt sich beiden an.

​

Gefängnis Roter Ochse, Am Kirchtor, Halle (S.) ca. 13:00 Uhr

Auf der Ladefläche eines LKWs erreichen die drei Filmer:innen die Straße vor dem berüchtigten Gefängnis. Vor den Mauern und auf der Straße befinden sich Massen von Demonstrant:innen, Student:innen und Angehörige von Insassen. Sprechchöre fordern die Freilassung der Gefangenen. Albert filmt dramatische Szenen vor dem Tor des Gefängnisses. Mit brutaler Gewalt gehen die Sicherheitskräfte von Innen gegen die unbewaffneten Demonstranten vor. Wasserwerfer verletzen furchtlose Jugendliche und Demonstrant:innen.

Wenig später, als das Filmteam bereits mit dem Lastwagen Richtung Innenstadt weiterfährt, fallen Schüsse vom Inneren des Gefängnisse. Ein Student wird ermordet.

Straßen Richtung Innenstadt Halle (S.), ca. 13:45 Uhr 

Von der Ladefläche des LKW filmen Ammer und Lau am Straßenrand jubelnde Bürger:innen. Viele winken dem Kamerateam fröhlich zu. Filmbilder von jubelnden Frauen entstehen. Der LKW kommt nur langsam voran. Die Straßen sind angefüllt mit gut gelaunten Menschen, die zum Marktplatz laufen. Sprechchöre erklingen. Der Sturz der Regierung wird gefordert. 

​

Marktplatz Halle (S.) ab ca. 14:00 Uhr

Nichts geht mehr. Die versammelten Menschen kapern selbst Trambahnen. Albert dirigiert den LKW zwischen Händeldenkmal (rechte Seite vorn) und Marktkirche (rechts im Rücken).

Ammer/ Lau filmen die Ankunft eines großen Demonstrationszuges, angeführt vom späteren Streikführer Weber. Mit Krücken führt er einen Zug von Streikenden auf den Marktplatz. Der Demonstrationszug läuft direkt auf das Filmteam zu.

Um einen noch besseren Blickpunkt zu erreichen steigen Ammer und Lau auf das Dach des LKWs. Das Drehteam ist auf dem Marktplatz für alle sichtbar. Albert filmt mit der seiner 35mm Kamera auf der Schulter, Jutta-Regina Lau agiert direkt neben der Filmkamera. Sie trägt ein weißes Kleid. In jenem Moment knipst ein Mitarbeiter oder Sympathisant der Stasi ein Foto vom Filmteam. Jenes Fotobild wird im späteren Schauprozess als Beweis vorgelegt. 

​

Albert Ammer will die Filmgestaltung noch besser in Szene setzen. Die Demonstrant:innen skandieren die Sprechchöre, laufen aber eher achtlos am Filmteam vorbei. In der nächsten Filmeinstellung winkt Jutta-Regina den Demonstrant:innen zu. Beide filmen das „berühmte Standbild“ mit dem lachenden Streikführer Herbert Gohlke, der fröhlich in die Kamera winkt. Albert dreht dutzende von Frauen, die heiter in die Kamera winken. Die Belegschaft eines Krankenhauses hat sich dem Protestzug angeschlossen. Viele jubeln dem Drehtam fröhlich zu. Es entsteht eine frohe Interaktion zwischen Demonstrant:innen und Filmteam. Umstehende Jugendliche jubeln dem Filmteam zu und applaudieren. Die zweite Filmrolle ist verdreht.

​

Defa-Filmstützpunkt, Kohlschütterstraße, Halle (S.)

Jutta-Regina Lau organisiert im Defa-Lager eine dritte Rolle Filmmaterial.

Frauengefängnis an der kleinen Steinstraße, Halle (S.) ab ca. 15:30 Uhr

Albert filmt die Masse von Angehörigen vor dem Tor des Frauengefängnisses. Direkt neben dem geschlossenen Tor ist ein Plakat befestigt worden. Es lautet, in Anspielung an den verhassten DDR-Spitzenpolitiker Walter Ulbricht: "Der Bart ist ab".

​

Tumult ertönt aus der Haftanstalt. Ein am Kopf verletzter Demonstrant wird hinaus geführt. Der Demonstrant ist verletzt, kann aber selbst gehen. Er trägt einen Kopfverband. Albert filmt.  

Das Filmteam sucht einen erhöhten Drehplatz. Sie finden diesem im gegenüberliegenden Wohnhaus. Wenig später stürmen Jugendliche aus dem Tor des Gefängnisses und präsentieren der Filmkamera einen erbeuteten und zerlegten Karabiner.

​

Die Straße ist überfüllt. Wieder protestieren auffallend viele Frauen und junge Männer. 

Das Gefängnistor öffnet sich. In Anzügen gekleidete Sicherheitsbeamte öffnen das Tor. Es stürmen junge Frauen, vielleicht nur zwanzig Jahre alt, in die Freiheit. 

Ammer und Lau filmen die einzige, erfolgreiche und friedliche Gefängnisbefreiung der DDR. Es sind unbeschreibliche Momente von Glück und Überraschung. Für die befreiten Frauen ebenso, wie für die sehnsüchtig wartenden Angehörigen.

​

Die erhaltenen Standbilder dokumentieren, wie ganz junge, aber auch sehr alte und geschwächte Insassinnen in die unverhoffte Freiheit treten. Einige der befreiten Frauen blicken zur Kamera, vielleicht wieder zu der jungen Filmassistentin.

Eine Frau mittleren Alters ist von der Haft sichtlich geschwächt und wird von einer etwa gleichalten Frau auf dem Weg aus dem Gefängnis gestützt. Als die geschwächte Frau auf die Straße tritt, fällt sie in Ohnmacht. Umstehende eilen zu Hilfe.

 

Einige der befreiten Insassinnen tragen Sträflingskleidung. Zwei sehr alte Damen in Sträflingskleidung haben auch einige Habseligkeiten gerettet. Vor Alberts Kamera lächeln sie direkt in die Kamera. 

Laut Stasi-Unterlagen wurden ca. 245 Insassinnen aus der Frauenhaftanstalt befreit. 

 

Kurz danach beziehen sowjetische Militärs mit bewaffneten Soldaten vor dem Tor Stellung. Der Anfang vom Ende der Freiheit in Halle und der DDR. Albert filmt die Sowjetssoldaten. 

Schwere Kriegswaffen rattern in die Innenstadt von Halle (S.). Alberts letzte Filmaufnahmen in der DDR: Drei sowjetische Panzer.

​

Defa-Filmstützpunkt ca. 16:30 oder 17:00 Uhr     

Ammer, Lau und der Hausmeister räumen das Filmgerät, wie nach jedem Drehtag in die dafür vorgesehen Schränke. Albert würde die Kolleg:innen der Defa nie wiedersehen.

Früher Morgen des 18. Juni 1953

Drei Beamte von Kripo und Stasi verhaften Albert Ammer in seinem angemieteten Zimmer in Halle (S.). Sie sperren ihn direkt in das Gefängnis Roter Ochse. Albert Ammer verschwindet hinter Gittern.

​

Juni bis August 1953

Die Staatssicherheit führt umfangreiche Ermittlungen gegen Albert Ammer durch. Das Filmmaterial wird von der Stasi missbraucht um Teilnehmer:innen vom Aufstand am 17. Juni 1953 zu identifizieren. Zumindest Teile des gedrehten Filmmaterials werden von der Stasi zerschnitten. Was mit dem originalen Filmnegativ und den wahrscheinlich angefertigten Vorführfilmrollen geschieht ist bis heute ungeklärt.

​

September 1953

In einem Schauprozess wird Albert Ammer, auf Basis erfundener Anschuldigungen und mittels drakonischer DDR-Gesetze, zu drei Jahren Gefängnis, Berufsverbot, Einzug der Filmkamera, Enteignung aller Güter und Verlust der DDR-Bürgerrechte verurteilt.

​

Ende Juni 1956

Albert Ammer wird aus dem Gefängnis Waldheim entlassen. Er ist ein geächteter Feind der DDR und findet keinerlei Arbeit. Im September flieht er in die Bundesrepublik. Seine Stasi-Akte wird noch im Jahr 1986 erneut mit dem Vermerk "streng geheim" versehen und gesichert.

​

Irgendwann um die Jahre 2001 oder 2002

Die Bildvergrößerungen aus Alberts Filmmaterial, mit denen die Stasi 1953 die Teilnehmer:innen am Aufstand identifizierte, werden in den Unterlagen der Stasi in Halle entdeckt. Jutta-Regina Ammer erhält über eine ehemalige DDR Bürgerrechtlerin einige Kopien von bereits zirkulierenden Standbildern. Auf Basis der Stasi-Unterlagen und den Zeugenaussagen für den Schauprozess können die Standbilder zweifelsfrei Albert Ammer zugeordnet werden. Gemeinsam mit meiner Mutter, Jutta-Regina Lau (Ammer) beginnen wir die durch Alberts Bilder konservierte Geschichte des 17. Juni 1953 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 

​​

2023

Zum 70. Jahrestag veröffentliche ich meinen Roman "Alberts Bilder bleiben" über den Kameramann Ammer. Abenteuerliche Geschichte sind zu erzählen... Die Videos an den originalen Drehorten entstehen.

​

Viel Vergnügen beim Entdecken verbotener Bilder unserer Geschichte!

​

Hier zum Roman "Alberts Bilder bleiben".

Titelbild Roman Alexander K. Ammer
bottom of page